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Die fortschreitende Digitalisierung der Schulen macht es möglich, die Lerndaten der Schülerinnen und Schüler in einer zentralen Cloud zu speichern. Die Befürworter versprechen sich davon eine bessere individuelle Förderung und fordern eine bundesweite Lösung, um möglichst viele Daten auswerten zu können. Die Gegner befürchten eine automatisierte Steuerung des Lernens.
Kein Mensch lernt digital: Über die Automatisierung von Schule und Unterricht - und Alternativen
(2023)
Seit mehr als 40 Jahren wiederholen sich Diskussionen und Kontroversen über Sinn und Unsinn von Informationstechnik (IT) in Bildungseinrichtungen. Wurde bislang über das Arbeiten an und mit PC, Laptop oder Tablet debattiert, drehen sich aktuelle Diskussionen verstärkt um netzbasierte Anwendungen mit Rückkanal für Schülerdaten. Das Schüler*innenverhalten wird per Software ausgewertet, um Lehrinhalte automatisiert und „individualisiert“ anzupassen. Ergänzt werden solche Lernprogramme um Anwendungen der sogenannten „Künstliche Intelligenz“ (KI), die als „Lernbegleiter“ fungieren und zumindest perspektivisch fehlende Lehrkräfte ersetzen (sollen). Damit werden technische Systeme in Schulen etabliert, von denen nicht einmal mehr die Entwickler wissen, was diese Algorithmen genau tun.
Das erfordert einen kritisch-reflektierenden Diskurs. Dafür vertritt Ralf Lankau im vorliegenden Aufsatz die These, dass essenzielle Elemente der Bildung, wie die Erziehung zu Selbstbewusstsein, Reflexion und einer kritischen Bürgerschaft, mit solchen Lernprogrammen verloren gehen.
In der Geschichte »Die Schule« (Originaltitel: ,,The fun they had“) von 1954 beschreibt der russisch-amerikanische Wissenschaftler und Science fiction Autor Isaac Asimov, wie die Schule der Zukunft im Jahr 2157 aussieht – oder genauer: dass es gar keine Schulen mehr gibt. Jedes Kind hat neben seinem Kinderzimmer im Elternhaus einen kleinen Schulraum, in dem es von einem mechanischen Lehrer (einer Maschine mit Bildschirm und einem Schlitz zum Einwerfen der Hausaufgaben) unterrichtet wird. Diese Lehrmaschine ist perfekt auf die Fähigkeiten des einzelnen Kindes eingestellt und kann es optimal beschulen. Nur: Maschinen können kaputt gehen. Die elfjährige Margie wird von ihrem mechanischen Lehrer wieder und wieder in Geographie abgefragt, aber jedes Mal schlechter benotet. Das sieht die Mutter und ruft den Schulinspektor, um den mechanischen Lehrer zu reparieren.
Kein Mensch lernt digital
(2022)
Ralf Lankau entlarvt in diesem Buch die wirtschaftlichen Interessen der IT-Branche und ihrer Lobbyisten. Dabei geht er sowohl auf die wissenschaftlichen Grundlagen (Kybernetik, Behaviorismus) als auch auf die technischen Rahmenbedingungen von Netzen und Cloud-Computing ein, bevor er konkrete Vorschläge für einen reflektierten, verantwortungsvollen Umgang mit Digitaltechnik im Unterricht skizziert. Seine These: Wir müssen uns auf unsere pädagogische Aufgabe besinnen und (digitale) Medien wieder zu dem machen, was sie im Präsenzunterricht sind: didaktische Hilfsmittel.
Die 2. Auflage greift insbesondere die Erfahrungen mit der Digitalisierung während der Corona-Pandemie auf. Soziales Lernen und pädagogische Beziehungsgestaltung haben sich hier als wichtige Parameter für den Lernerfolg erwiesen. Das bloße Distanzlernen hingegen zeigt: Wer sich schon vorher mit dem Lernen schwer getan hat, fiel während der Pandemie noch weiter im Unterricht zurück.
Wer als Pädagoge und Wissenschaftler das Thema „Digitalisierung und Unterricht“ kritisch reflektiert, stellt fest, dass nur Wenige die Tragweite der schon lange beabsichtigten Transformation von Bildungseinrichtungen zu IT-konformen, algorithmisch gesteuerten Lernfabriken realisieren. Die Corona-Pandemie ist nur der aktuelle Anlass, seit langem bekannte Digitalisierungsstrategien nur schneller umzusetzen. Dabei ist der Wechsel von ursprünglich pädagogischen Prämissen als Basis von Lehr- und Lernprozessen hin zum Paradigma der datengestützte Schulentwicklung und der empirischer Bildungsforschung wesentlich. Daten und Statistik dominieren das Individuum wie das Unterrichtsgeschehen. Es bedeutet sachlogisch, möglichst viele Daten der Schülerinnen und Schüler zu sammeln, auszuwerten und zur Grundlage von Entscheidungen über Lerninhalte und -prozessen zu machen. Lehren und Lernen wird wieder einmal als, heute digital, steuerbarer Prozess behauptet, wie schon beim programmierten Lernen in den 1950er Jahren. Was sind mögliche Alternativen?
Der Fokus des öffentlichen Diskurses bei der Frage der Digitalisierung von Schule und Unterricht liegt auf Technik und Endgeräten. Mit Laptop und Tablet wird alles gut? Nein. Die entscheidende Frage bei der Konzeption einer sinnvollen technischen Infrastruktur für Schulen ist gerade keine technische, sondern eine pädagogische: Was soll denn genau gelernt werden, über Rechner und Netzwerke, am Rechner oder mit dem Rechner? Anschließend wird geklärt, wie eine alternative und praxistaugliche technische Infrastruktur für Schulen aussehen kann, um alle an Lehr- und Lernprozessen Beteiligten zu erreichen.