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Einfluss der Zehenfreiheit auf die dynamische Stabilität bei medio-lateralen Laufbandperturbationen
(2023)
Das Tragen von Barfußschuhen, so die These, führt zu einem natürlichen und damit gesunden Gangbild. Ein Merkmal des Barfußschuhs ist die breite Zehenbox, die eine maximale Zehenfreiheit gewährleistet. In dieser Studie wurde der Faktor Schuhweite hinsichtlich seines Einflusses auf die Gangstabilität untersucht. Mit dem GRAIL-System wurden 28 Probanden in jeweils vier Schuhkonditionen (Wash out = eigene Schuhe, schmal, breit, Tape) und 3 Trials (Baseline, Perturbations, Simulated Inebriation) mittels Motion Tracking erfasst. Die Gangstabilität wurde anhand von 𝑀𝑜𝑆 (𝑀𝑎𝑟𝑔𝑖𝑛 𝑜𝑓 𝑆𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦), 𝑃𝑜𝐼 (𝑃𝑟𝑜𝑏𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦 𝑜𝑓 𝐼𝑛𝑠𝑡𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦), Schrittbreite und Schrittdauer beurteilt.
Es konnte kein signifikanter Einfluss der Schuhweite auf die Gangstabilität festgestellt werden. Dagegen ist das Alter ein signifikanter Einflussfaktor (ältere Probanden gehen weniger sicher) sowie die Art des Trials (simulated Inebriation ist am unsichersten). Zusätzlich wurden die Probanden in eine BX (Barefoot Experienced) und eine BUX (Barefoot Unexperienced) Gruppe eingeteilt, um zu untersuchen, ob es einen Unterschied macht, ob ein Proband in der Vergangenheit bereits Barfußschuhe getragen hat. Im Vergleich zur BUX-Gruppe war das Gangbild der BX-Gruppe durch folgende Merkmale gekennzeichnet: kürzere Schrittdauer, breitere Schritte und niedrigere 𝑃𝑜𝐼-Werte (in den Barfußschuhen).
Es kann vermutet werden, dass Personen mit Barfußschuherfahrung in einer neuen Schuhkondition sicherer gehen, weil sie unabhängiger vom Schuh sind. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die BX-Personen durch das Barfußlaufen stärkere Fußstrukturen entwickelt haben, die sich unabhängig vom Schuh positiv auf das Gangbild auswirken. Somit wirken sich Barfußschuhe erst langfristig positiv auf den Gang aus.
Hintergrund der Studie ist die Annahme, dass das Tragen von Barfußschuhen einen positiven Effekt auf die Gleichgewichtsfähigkeit eines Menschen hat und somit präventiv das Sturzrisiko vermindern kann. Ziel der Studie ist daher, einen Zusammenhang zwischen der Zehenfreiheit und der Gangsicherheit festzustellen. Zu diesem Zweck werden anhand einer Ganganalyse mit dem GRAIL-System, der Firma Motek Medical, das Laufverhalten von 23 Probanden in drei verschiedenen Schuhkonditionen (schmale Barfußschuhe, breite Barfußschuhe und getapte Zehen in Barfußschuhen) untersucht. Pro Perturbationsdurchgang werden jeweils fünf Gangzyklen vor und nach der Perturbation aufgenommen. Betrachtet werden die Kokontraktionswerte ausgewählter antagonistischer Muskelpaare des Ober- und Unterschenkels. Diese werden während der fünf Gangzyklen vor den einzelnen Perturbationen mittels EMG (Elektromyographie )-Sensoren gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass das einmalige Tragen von Barfußschuhen und somit die kurzfristige Veränderung der Zehenfreiheit keinen signifikanten Einfluss auf die Kokontraktionswerte und somit auf die Gleichgewichtsfähigkeit hat. Lediglich beim langfristigen Tragen von Barfußschuhen wiesen die Ergebnisse leichte Tendenzen in Richtung einer Erhöhung der Gleichgewichtsfähigkeit auf. Daraus lässt sich ein Trainingseffekt der Barfußschuhe auf den menschlichen Körper ableiten, der langfristig zu einer Verbesserung der Gangsicherheit führt. Da diese Ergebnisse jedoch nicht signifikant sind, muss diese Annahme erst durch weitere Studien geprüft werden. Einen tatsächlich signifikanten Einfluss hatte hingegen der Lerneffekt, der sich während des Versuchsablaufs bei den Testpersonen einstellte, auf die Kokontraktionswerte. Hierbei zeichnet sich eine annähernd exponentiell fallende Kurve im Verlauf der Messungen ab. Interessant ist dabei, dass dies auch für die Baseline zutraf, also auf die Referenzmessung ohne Perturbationen. Dies deutet darauf hin, dass die Probanden nicht primär wegen der Perturbationen in einer angespannten bzw. vorbereiteten Haltung waren, sondern aufgrund des ihnen unbekannten Untergrunds, dem perturbationsfähigen Laufband. Bei zukünftigen Studien sollte daher für aussagekräftige Ergebnisse eine stärkere Eliminierung des Lerneffekts geachtet werden.